Das Projekt am Kochenhof 1927 bis 1933:
Der Planungsprozess



Städtebauliches Modell der Weißenhofsiedlung "Die Wohnung", 1927
(Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)


Der Anlass für die Planung der Kochenhofsiedlung war die Weißenhofsiedlung, die 1927 im Rahmen der Bauausstellung "Die Wohnung" entstand. Initiator der Weißenhofsiedlung war der Deutsche Werkbund (DWB), der damit ursprünglich neue Methoden rationellen Bauens erproben wollte. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage in der Weimarer Republik, die auch das Baugewerbe betraf, sollte die Bauausstellung Wohnbauten präsentieren, die mit geringen finanziellen Mitteln in kurzer Bauzeit errichtet werden konnten. Rationalisierungen wurden durch Vorfabrikation der einzelnen Bauteile und Verwendung neuer Materialien wie Stahl und Eisenbeton erreicht.

Diesem Projekt des "Neuen Bauens" wollte Schmitthenner ein Gegenmodell entgegensetzen, das seinen Vorstellungen von "traditionalistischer" Architektur entsprach. Nachdem ein erster Versuch Schmitthenners 1927/1928 am Kochenhof scheiterte, begann Ende 1932 die Württembergische Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbundes Planungen für eine Siedlung, die im Rahmen einer Bauausstellung am Kochenhof entstehen sollte. Die Leitung oblag dem Stuttgarter Architekten Richard Döcker, der bereits an der Weißenhofsiedlung als Bauleiter und ausführender Architekt teilgenommen hatte. Schmitthenner selbst war an den Planungen des DWB nicht beteiligt.
Bereits im Januar 1933 legte die Ausstellungsleitung ein Programm für die anvisierte letztlich nicht zustandegekommene Bauausstellung "Deutsches Holz für Hausbau und Wohnung" vor. Ziel dieser Ausstellung war, die vermehrte Verwendung von deutschem Holz zu erreichen und damit der schlechten wirtschaftlichen Lage der deutschen Forst- und Holzwirtschaft zu begegnen. Das Ausstellungsprogramm sah eine Siedlung aus Eigenheimen vor, die alle als Dauerhäuser in Holzbauweisen entstehen sollten. Der Lageplan für die Siedlung wurde von Richard Döcker ausgearbeitet, der auch die einzelnen Bauplätze den ausgewählten Architekten zuteilte.
Im Vergleich zur Werkbund-Ausstellung von 1927 hatte die neue Bauausstellung einen regionalen Charakter, denn die meisten beteiligten Architekten sowie die Vereine und Verbände, die das Projekt unterstützten, stammten aus dem Stuttgarter Raum.
Es handelte sich um folgende Architekten:
  • Carl Caspary, Stuttgart
  • Richard Döcker, Stuttgart
  • Kurt Friedberg, Stuttgart
  • Hugo Häring, Berlin
  • Richard Herre, Stuttgart
  • Lucy Hillebrand, Mainz
  • Hugo Keuerleber, Stuttgart
  • Walter Körte, Stuttgart
  • Franz Krause, Berlin
  • Eduard Krüger, Stuttgart
  • Werner M. Moser, Zürich
  • Oskar Pfennig, Stuttgart
  • Bodo Rasch, Stuttgart
  • Adolf G. Schneck, Stuttgart
  • Rudolf Steiger, Zürich
  • Konrad Wachsmann, Berlin
  • Ernst Wagner, Stuttgart
  • Hellmut Weber, Stuttgart
  • Hans Zimmermann, Stuttgart



Städtebauliches Modell des Werkbundprojekts "Deutsches Holz" (von Norden), 1932/33, unrealisiert (Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)


Projekt Hugo Häring, unrealisiert (Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)


Projekt Lucy Hillebrand, unrealisiert (Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)


Projekt Richard Döcker, unrealisiert (Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)

Projekt Konrad Wachsmann, unrealisiert (Quelle: Uni Stuttgart, siehe unten)



Die realisierte Bauausstellung

Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die "moderne Bauformen" speziell im Wohnungsbau ablehnten, gelang es Paul Schmitthenner im März 1933, das Projekt des DWB zu Fall zu bringen und seine Vorstellung einer "traditionalistischen" Kochenhofsiedlung zu realisieren. Dabei wurde vom DWB-Projekt neben dem Titel auch die Zielvorgabe übernommen, durch die Ausstellung die deutsche Holz- und Forstwirtschaft zu unterstützen. Die Idee, die Ausstellung durch ein Versuchsgelände mit Modellen der in der Siedlung ausgeführten Konstruktionen und mit Garten- und Wochenendhäusern zu ergänzen, stammte ebenfalls vom DWB. Unterschiedlich war vor allem die Bauweise und das Aussehen der Häuser. So mussten unter Schmitthenner alle Gebäude in "traditionalistischer" Bauweise ausgeführt werden. Auffälligstes Merkmal war dabei die Satteldachpflicht.

Im Mai 1933 wurden von Schmitthenner 23 "neue" Architekten ausgewählt, um 25 Häuser zu planen. Bereits Ende Juli 1933 fand das Richtfest der Siedlung am Kochenhof im Rahmen der Bauausstellung "Deutsches Holz für Hausbau und Wohnung" unter Leitung von Paul Schmitthenner statt.


Städtebauliches Modell der realisierten Kochenhofsiedlung (Ansicht von Westen), 1933 (Quelle: Uni Stuttgart)


[Weiterführende Literatur]

Für die Nennung der vollständigen Liste der beteiligten Architekten am unrealisierten Werkbundprojekt am Kochenhof danke ich Herrn Dr. D.W. Schmidt vom Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart.

Stefanie Plarre, M.A.


Quelle der Modellfotos:

Weißenhofsiedlung
Stuttgart, Ludwig Mies van der Rohe u.a., 1927

Städtebauliches Modell M 1:200, Universität Stuttgart
Modellbau und Fotos: Institut Darstellen und Gestalten Lehrstuhl 1 Professor Wolfgang Knoll, Betreuung: Martin Hechinger

Kochenhofsiedlung
Stuttgart, Paul Schmitthenner u.a., 1933

Modell M 1:200, (80 x 71,5 x 30 cm, Karton) Universität Stuttgart 1989
Modellbau: Studierende des baugeschichtlichen Seminars von Dietrich Worbs, IGMA und des Modellbau-Seminars am IDG1, Betreuung und Fotos: Martin Hechinger


Werkbundprojekt "Deutsches Holz"
Stuttgart, Richard Döcker u.a., 1932/33

Das Gesamtmodell M 1:200 (100 x 80 x 30 cm, Holz) und die Einzelmodelle M 1:50 entstanden 2003/04 im Rahmen eines gemeinsamen Seminares der Institute Darstellen und Gestalten Lehrstuhl 1 Professor Wolfgang Knoll und dem Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart.
Modellbau: Stefan Betz, Achim Groll, Adrian Suchetzky; Betreuung Martin Hechinger, IDG 1
Baugeschichtliches Seminar: Dietrich W. Schmidt, IAG
Fotos: Martin Hechinger

Weitere Informationen zu diesem Projekt befinden sich auf der Website des Instituts für Architekturgeschichte der Uni Stuttgart unter "Forschung"